Wir haben zuvor über Merkmale gesprochen, aufgrund derer Leute Benachteiligungen erfahren. Die andere Seite der Medaille nennt sich Privilegien. Dabei handelt es sich um Merkmale, die keine Benachteiligung bzw. Diskriminierung zur Folge haben.
Privilegien zeichnen sich oft vor allem durch die Abwesenheit von Benachteiligung aus. Deswegen sind sie oft schwierig zu erkennen. Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass andere Menschen andere Erfahrungen machen. Bei angeborenen Privilegien ist es besonders schwierig zu erkennen, welche Hindernisse andere Menschen in ihrem Alltag haben – Dinge und Situationen derer man sich nicht bewusst ist, weil man sie nicht selbst erlebt hat, kann man auch nicht mit eigenen Erfahrungen vergleichen. Und auch nicht-privilegierten Menschen ist es manchmal nicht klar, dass es Menschen mit anderen Erfahrungen gibt und ihre eigenen Erfahrungen nicht der Norm entsprechen, sondern eine Benachteiligung darstellen.
Es ist ein weit verbreitetes Missverständnis, dass „Privilegien haben“ bedeutet, sich bewusst einen Vorteil gegenüber Anderen zu verschaffen. In der Folge kann es wie ein Vorwurf aufgefasst werden, wenn einer Person ihre Privilegien aufgezeigt werden – dabei ist die privilegierte Person nicht schuld an diesem Privileg, genauso wie die Person mit weniger Privilegien auch nicht schuld an diesem Umstand ist. Das Thematisieren von Privilegien ist dementsprechend auch kein Angriff auf die privilegierte Person, sondern soll einen Perspektivwechsel anregen.
Privilegierte und diskriminierte Personen haben oft keinen Einfluss darauf, ob sie gewisse Privilegien besitzen. Aus diesem Grund ist es um so wichtiger, sich kontinuierlich mit diesem Thema auseinanderzusetzen:
- Wenn wir wissen, wo wir diskriminiert werden, können wir besser verstehen, warum das System für uns so nicht funktioniert – und es kritisieren.
- Wenn wir wissen, wo wir privilegiert sind, können wir mithelfen, Privilegien umzuverteilen und so dafür zu sorgen, dass das System für mehr Menschen funktioniert.
Wenn beispielsweise eine einzelne Frau in einem Team spielt und wenig Spielzeit bekommt, liegt der Gedanke nahe, es läge an ihr und ihr fällt vielleicht die Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts gar nicht auf. Sobald andere FLINTA*-Personen hinzukommen, kann deutlich werden, dass dies nicht nur ein persönliches, sondern ein strukturelles Problem ist.
Im Gegensatz dazu hat eine Person, die als einzige Kette im Team spielt, das Privileg, so viele Züge zu spielen, wie sie möchte. Dabei kann sie leicht übersehen, dass die anderen Teammitglieder sich die verbleibenden Plätze aufteilen müssen.
Ein weiteres Beispiel:
Eine Person, die sonst auf jedem Turnier war, ist zuletzt auf einige Turniere nicht mitgefahren. Ein Teammitglied kommt auf den Gedanken, dass fehlendes Geld das Problem sein könnte. Nach einem Bericht über Armut in der Ausbildung und dem Hinweis, wie schambesetzt das Thema ist, reflektiert dieses Teammitglied, dass es daran liegen könnte und die betroffene Person das nicht sagen wollte. Um die Situation zu verbessern, schlägt das Teammitglied bei nächster Gelegenheit vor, teamweite Absprachen zu treffen, die für alle Beteiligten die finanzielle Belastung reduzieren.
Für unser gesellschaftliches Miteinander ist das Bewusstsein über Privilegien und deren Umverteilung eines der wichtigsten Mittel, um Ungleichbehandlung anzugehen. Alle Menschen mit Privilegien sollten sich in die Lage versetzen, die eigene Situation zu erkennen und zu überdenken. In der Folge sind Menschen mit Privilegien in der besonderen Verantwortung, Situationen zu erkennen, in denen sie Leute mit Diskriminierungserfahrung unterstützen können.
Hier außerdem noch ein kurzes Erklärvideo, wie Privilegien funktionieren:
https://www.youtube.com/watch?v=2KlmvmuxzYE&t